Ulrich Woelk

Der Sommer meiner Mutter

Roman
Cover: Der Sommer meiner Mutter
C.H. Beck Verlag, München 2019
ISBN 9783406734496
Gebunden, 189 Seiten, 19,95 EUR

Klappentext

Sommer 1969. Während auf den Straßen gegen den Vietnamkrieg protestiert wird, fiebert der elfjährige Tobias am Stadtrand von Köln der ersten Mondlandung entgegen. Zugleich trübt sich die harmonische Ehe seiner Eltern ein. Seine Mutter fühlt sich eingeengt, und als im Nachbarhaus ein linkes, engagiertes Ehepaar einzieht, beschleunigen sich die Dinge. Tobias' eher konservative Eltern freunden sich mit den neuen Nachbarn an, und deren dreizehnjährige Tochter, Rosa, eigenwillig und klug, bringt ihm nicht nur Popmusik und Literatur bei, sondern auch Berührungen und Gefühle, die fast so spannend sind wie die Raumfahrt...

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 06.07.2019

Für Martin Halter ist Ulrich Woelks neuer im Jahr 1969 in der Kölner Suburbia spielender Roman kein großer Schritt für die Menschheit, sondern allenfalls technisch solide gemachte Unterhaltungsliteratur. Das Miteinander von Technikgeschichte (Mondlandung), Zeit- und Emanzipationsgeschichte schlägt laut Halter keine Funken und wirkt hölzern. Bundesdeutsche Kultur- und Mentalitätsgeschichte kann Woelk zwar brav abklappern, gelangt dabei jedoch über Klischees und Phrasen nicht hinaus, meint er.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 25.06.2019

Dieser Roman ist in jeder Hinsicht ein "Bravourstück", jubelt Rezensentin Judith von Sternburg, die sich von Ulrich Woelk gern einen Sommer lang nach Köln ins Jahr 1969 hat entführen lassen. Sie folgt hier dem kleinen Tobias, der in jenem Jahr, als seine Mutter Selbstmord begeht, vor allem mit der Mondlandung und dem Gefühl der ersten Liebe beschäftigt ist und staunt, wie hintergründig Woelk die sich anbahnende Tragödie anlegt. Allein wie lebendig der Autor die Konstellationen der Erwachsenenwelt aus Kinderaugen schildert und dem Leser dabei den Spiegel vor Augen hält, hat die Kritikerin tief beeindruckt.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 29.05.2019

Steffen Martus lässt sich von Ulrich Woelk stilsicher in die Mentalitätsgeschichte der frühen Bundesrepublik entführen. Da markieren Bungalow und Betonfrisuren Abgründe unter der Fortschrittseuphorie, aber Woelk überzeugt den Rezensenten mit Rhythmus und Atmosphäre. Auch wenn die Implosion der Familiengeschichte gleich feststeht, unterhält sich der Rezensent prima mit sexueller Revolution, Adorno und allerhand Erläuterungen zum historischen Klima. Wie der Autor die '68er-Euphorie zum Mond schießt, scheint dem Rezensenten literarisch richtig gut gemacht.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 22.03.2019

"Der Sommer meiner Mutter" ist kein lautes Buch, findet Rezensent Jörg Magenau, es will sich weder sprachlich noch thematisch wichtig machen, entwickelt aber gerade durch diese Einfachheit und Zurückhaltung eine ungeheure Kraft. 1969 ist das Jahr, aus dem Ulrich Woelk erzählt - der Sommer der Mondlandung, und der Sommer, indem sich die Mutter des damals dreizehnjährigen Tobias' das Leben nahm, lesen wir. Mit viel Feingefühl und einer beeindruckenden Beobachtungsgabe lässt Woelk seinen Ich-Erzähler sich an die Ereignisse und Entwicklungen erinnern, die zu diesem Tod geführt haben. Dabei verknüpft er geschickt die verschiedenen Erfahrungsebenen des jungen Tobias: Die Erforschung seiner Sexualität wird parallelisiert mit der Erforschung der dunklen Seite des Mondes, erklärt Magenau. Hinzu kommen die familiären Veränderungen, die sich durch die anbahnende Freundschaft der eigenen eher bürgerlich konventionellen Familie mit den neuen Nachbarn ergeben. Die Geschichte von Tobias und seiner Familie ist eine einmalige und ihre Figuren sind ganz individuell, zugleich steht sie aber für etwas Größeres, einen gesellschaftlichen Wandel nämlich, der sich Ende der Sechziger vollzog und den der Autor mit sehr viel Raffinesse und Verständnis zu beschreiben weiß, schließt der begeisterte Rezensent.
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Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 13.03.2019

Rezensentin Dorothea Westphal vermeldet eine geglückte literarische Mission. Ulrich Woelks Roman, der die Mondlandung, den gesellschaftlichen Wandel Ende der 60er Jahre in der Bundesrepublik, die zaghafte Emanzipation der Frau und die sexuelle Initiation eines Jungen anhand der Geschichte zweier unterschiedlicher Familien (konservativ die eine, links und scheinbar liberal die andere) miteinander verknüpft, verzaubert die Rezensentin durch geschickte Dramaturgie und anschauliche Details. Trotz mancher Klischees im Text scheint ihr die Darstellung der Diskrepanz zwischen technischem Fortschritt und Geschlechterverhältnissen gelungen.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 09.02.2019

Dass Ulrich Woelk Astrophysiker ist, erkennt Rezensentin Julia Schröder nicht nur inhaltlich, sondern auch an der präzisen Komposition, mit der der Autor seinen schmalen Roman entworfen hat. Erzählt wird die Geschichte des elfjährigen Tobias, der Ende der Sechziger in einem Kölner Bauerndorf aufwachsend, Mondlandung und Selbstmord der Mutter, bundesrepublikanische Rigidität der eigenen Familie und Modernität der Nachbarsfamilie erlebt und sich in deren antiautoritär erzogene Tochter verliebt. Wie Woelk seine Coming-of-Age-Story mit zeitgeschichtlichem Hintergrund und "leiser Melancholie" anreichert, durch den Perspektivwechsel zwischen jugendlichem und erwachsenem Erzähler Spannung aufbaut und die Geschichte "dezent" auf Eskalation hinauslaufen lässt, hat die Kritikerin tief beeindruckt.