17.04.2003. In Thailand blüht eine deutschsprachige Presse, die sich ganz den Bedürfnissen der 40.000 deutschen Altersemigranten anpasst. Eine kleine Presseschau mit vielen Links.
Im Fern-Urlaub gewinnt das Lesen verlorenes Terrain zurück. Nach dem ersten Sonnenbrand werden die schönsten Tage des Jahres im Schatten ziemlich langweilig, auch in Thailand. Natürlich gibt es die tagesaktuelle
Bild für stolze zwei Euro schon am gleichen Abend in Bangkok. Druckfrische
SZ,
FAZ,
Welt oder
Handelsblatt, um nur einige zu nennen, liefert die Firma
Newstoday dank
Satelitenverbindung mit mehr als 165 Redaktionen in aller Welt zum Preis von rund sechs Euro. In der gleichen Preisklasse liegen
Spiegel,
Focus,
Stern und Co. für
6,50 Euro im ausgewählten Buchhandel. Dieses teure, aktuelle Informationsangebot, dessen einziger unumstrittener Kitzel für den Touristen die Wetterinformationen aus der kalten, verregneten oder verschneiten Heimat sind, zielt deshalb vorrangig auf Geschäftsreisende und deutschsprachige Residenten.
Die rund 500.000 Touristen aus Deutschland und seinen alpenländischen Nachbarstaaten bedient eine Reihe von kostenlosen oder preiswerten Druckerzeugnissen, die
Land, Leute und Anzeigenkunden näherbringen wollen. Sie sollen hier in einer kleinen Presseschau vorgestellt werden, die keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt, da dieser Markt permanent in Bewegung ist, Postillen auf- und abtauchen und ihre Verleger oft verlegen sind, wenn die Drucker versuchen, ihre Rechnungen einzutreiben. Ursächlich dafür sind wiederum Anzeigenkunden, die ihre erfolglose Werbung dem mangelhaften Verteilungsvertrieb anlasten und zahlungstechnisch die "Biege machen". "Es ist auch in Thailand mühsam geworden, an das Geld anderer Leute zu kommen", klagte einer der wenigen wirklich Erfolgreichen unlängst.
Pattaya Blatt - Die deutschsprachige Zeitung für Thailand - kostet 25 Baht (circa 55 Cent) und wird dem eigenen Anspruch gerecht. Auf 32 Seiten im A3-Format überwiegt das redaktionelle Angebot des Wochenblatts in klarer Gliederung. Der Lokalteil packt Themen wie beispielsweise den
Drogenkrieg an, berichtet von der bevorstehenden Auslieferung des ersten
Tourismus-U-Boots, das auf Tauchgängen vor Pattayas Küste die Korallenriffe ansteuern soll und nennt
"Miss Condom" beim Namen. Fräulein
Jim Yai war die Glückliche, die den Titel gegen 31 Mitbewerberinnen einheimste, deren Wettstreit den Höhepunkt einer Aufklärungsveranstaltung zum Thema
Aids bildete, die das
Bangkok Pattaya Hospital und die norwegische Kirchenhilfe organisiert und unterstützt hatten.
Im
Wirtschaftsteil dominiert die deutsche Krise: "Kehrtwende bei
Bertelsmann", "
Commerzbank will nach Jahr des Schreckens weitere Stellen streichen", oder "
DaimlerChrysler-Vorstand verkleinert und verjüngt". Die Rubrik "Aus der
alten Heimat" bietet einen Kessel Buntes aus Deutschland, Österreich und der Schweiz und den
Sportteil dominiert, wie nicht anders zu erwarten, die Bundesliga. Besondere Erwähnung verdient Kummerkasten-Tante
Frieda, die salomonisch Mißverständnisse aufklärt, die sich zwischen Thais und Deutschen nicht vermeiden lassen.
Der Farang, 60 Seiten in A4-Format, kostenlos, erscheint 14-tägig. Seine 36 Seiten Werbung sind keinesfalls ein Ärgernis, teilweise sogar unterhaltsamer als der redaktionelle Inhalt. Denn die Angebote bedienen die gesamte Palette der Leser-Bedürfnisse. Schon auf der Titelseite geht es in die Vollen. Ein Restaurant in Schweizer Chalet-Atmosphäre verspricht: "Alle machen satt - aber Mama macht glücklich", mit Fondues, Spaghetti, Flambes und Steaks. Der Verlag selbst versteht sich als Rundum-Sorglos-Kümmerer. Sein
Farang Service, unter dem Motto "Wir machen Ihr Leben leichter" sorgt sich um Visa, Versicherungen, Immobilien, Rechtsbeistand und was sonst ein bürokratisch aufgewachsener Bundesbürger im Land des Lächelns vermissen mag. Der freundliche "Amigo" Maßschneider wirbt mit seinen Deutschkenntnissen. "
Zahnersatz aus Meisterhand" ist "Deutsch geführt", und das Deutsche Institut für plastische Chirurgie und Laser-Technik
Royal Beauty, besorgt Facelifting, Brustkorrekturen, Nasenkorrektur, Fettabsaugen zu einem
Bruchteil der europäischen Preise.
Hier erklärt auch Alfred Schwarzer, 57, Pensionär aus dem niederösterreichischen Krems an der Donau, stelltvertretend für viele, warum er den Winter lieber in Thailand verbringt. "Die
langen, dunklen Nächte machen mich depressiv. Hier sind die Tage zwar auch nicht länger, aber es scheint immer die Sonne und es ist stets angenehm warm." Was sonst noch für Thailand spricht? "Neben dem Klima die thailändische Art zu leben. Ich kann hier auch ganz leger auftreten. Ich brauche nur drei Kleidungsstücke: ein Ruderleibchen, also ein ärmelloses T-Shirt, eine kurze Hose und Hergottsschlappen. Das alles kann ich hier in Pattaya sehr preiswert kaufen?" Die vielgerühmte
thailändische Küche kann wegen ihm kalt bleiben. "Ich bin kein Freund der asiatischen Küche. Einmal pro Woche ein Reisgericht, das reicht." Was ihm positiv auffällt im Exil? "Ich bin jedesmal erstaunt über die hervorragende Behandlung in den
lokalen Spitälern."
Der redaktionelle Teil enthält nur regionale Nachrichten, zitiert seine Quellen korrekt und glänzt mit Insider-Klatsch.
Tip - Zeitung für Thailand. 18 Seiten, knapp A3-Format, kostenlos, versteht sich als
politische Zeitschrift. "Unser Ziel ist das Verständnis zwischen Thais und Ausländern sowie ein faires Zusammenleben. Dazu gehört der gegenseitige Respekt und die Achtung der persönlichen Freiheit. Der Tip schätzt die Meinungsfreiheit nach der neuen Verfassung in Thailand und wendet diese verantwortungsbewußt an", heißt es auf der Homepage. Der
Tip brachte neulich eine interessante Statistik, nach der im Jahr 2002 151.548 deutsche Frauen Thailand besuchten, eine Steigerung von 2,95% und 22,76% mehr
deutsche Langzeiturlauber einreisten, insgesamt 10.216 Bundesbürger, die in der Sonne die Rente verleben. Die "alten Männer", über 65 Jahre alt, brachten es 2002 auf die neue Rekordstärke von 21.305 Besucher. Eine Analyse blieb die Redaktion schuldig.
Der Exodus der alten Deutschen beschränkt sich längst nicht mehr auf Mallorca und ähnliche "deutsche Kolonien". Thailand hat älteren Menschen viel zu bieten: Ein höchstverträgliches Klima (sofern hitzebeständig), niedrige Lebenshaltungs- und Mietkosten, einen vorteilhaften Wechselkurs (1 Euro= 45 Baht) und eine
altenfreundliche Gesellschaft. In Thailand ist Alter kein Makel, sondern genießt Respekt und Anerkennung. Ältere Herren, nicht nur die reichen, rüstigen und rastlosen, finden in Thailand mühelos den dritten oder auch vierten Frühling. Denn für eine Thailänderin sind Aussehen und Alter zweitranging, so lange das Herz ein "gutes" ist. Dessen Diagnose erfolgt über die finanzielle Spendierfreudigkeit des betreffenden Patienten. Ehen mit einer Generation Altersunterschied sind keine Ausnahmen.
Die Südostasien-Zeitung, Format A4, 50 Baht, beweist schlüssig, welche Vorteile die Beherrschung der englischen Sprache mit sich bringt. Denn ihre zum Teil schlecht übersetzten Texte aus der nationalen und internationalen Presse, ergeben ein holprig lesbares, löchriges Bild des Geschehens in aller Welt. Doch der zweiwöchige Überblick genügt den Stammlesern, die vor allem den ausführlicheren Sportteil schätzen.
Thailand aktuell, Format A4, monatliches Erscheinen, 100 Baht Heftpreis, ist Schmuseblatt und Hofpostille der
Töchter deutscher Konzerne in Thailand. Folgerichtig sind Redaktionsangebot und Anzeigen in ausgewogener Balance und ein makelloser Beleg für die Bedeutung der firmeneigenen Presse-Abteilungen. Der etwas irreführende Titel beschäftigt sich ausschließlich mit Wirtschaftsthemen, die bei monatlicher Erscheinungsweise nicht stets aktuell sein können.
Reisen in Thailand, erscheint kostenlos im zwanzigsten Jahrgang und gibt sich textlich gerne mehrdeutig. Kostprobe: Unter der Überschrift "
Bars und Nachtleben in Pattaya" lesen wir: "Genießen Sie ein eisgekühltes Bier und einen Witz mit den Einheimischen, aber gehen Sie weiter zu den 'Theme Pubs' mit ihren eigenen Bands. Die Auswahl ist endlos. In kleinen diskreten Cocktail-Lounges kann man einen Drink vor dem Abendessen zu sich nehmen oder gleich in populären, lebhaften Clubs essen und die Umwandlung miterleben, wenn gegen 21 Uhr die Hausband übernimmt." Das wichtigste Argument für die 32 Seiten im Komplettdruck ist seine garantiert verbreitete Auflage von 15.000 Exemplaren.
Die Brücke, der Gemeindebrief der
evangelischen Gemeinde deutscher Sprache in Thailand, bedient rund
850 Seelen zweimonatlich mit Besinn- und Nachdenklichem. In der jüngsten Ausgabe sorgt sich die Gemeindekirchenrat-Vorsitzende, Frau Franziska Chawla, um die Finanzmittel der Gemeinde und das Engagement ihrer Mitglieder auf amüsante Art: "Kommt Ihnen diese Geschichte bekannt vor? Es ging darum, eine wichtige Arbeit zu erledigen und
Jeder war sicher, dass sich
Jemand darum kümmert. Irgendjemand hätte es tun können, aber Niemand tat es. Jemand wurde wütend, weil es Jeders Arbeit war. Jeder dachte, Irgendjemand könnte es machen, aber Niemand wusste, dass Jeder es nicht tun würde. Schließlich beschuldigte Jeder Jemand, weil Niemand tat, was Irgendjemand hätte tun können." Mitstreiter kann übrigens auch "Der deutschsprachige,
gemischte Chor Bangkok" gebrauchen, der im Mai oder Juni die Messe in Es-Dur von
Franz Schubert aufführen will.
Überspitzt kommt man nach dieser Presseschau zu folgender Schlussfolgerung: Der Durchschnittsdeutsche in Thailand lebt assoziierungsunfähig in gettoähnlichen Luxusenklaven und frönt seiner Bestimmung: dem
Deutschsein. Essen, Trinken, Lesen, Unterhalten, alles wichtig, aber
bitte deutsch. Niemand kennt die Zahl genau. Doch um die
40.000 Expats aus Deutschland, Österreich und der Schweiz dürften sich derzeit in Thailand niedergelassen haben. Tendenz steigend. Dem Trend folgen pfiffige Geschäftsleute mit speziellen websites wie
beiotto.com, oder
swissbakery.com, die kulinarische Leckereien aus der alten Heimat produzieren und ins Haus liefern.
Die Rechnung geht auf - auch bei den Thailändern. Denn die
Gastgebernation ist ernährungstechnisch neugierig auf alles Neue und hat längst entdeckt, dass eine Schweinshaxe Nirwananähe bedeutet, ein Erdinger Weissbier schneller seelig macht als das einheimische Beer Chang und ein dunkles Bauernbrot zwischen den Zähnen mehr Biss bringt als der aromatischste Reis. Teuer sind die Leckereien für Durchschnittsthais allerdings. Weshalb Ausländer folgerichtig reich sein müssen, wenn sie sich das leisten können, was wiederum erklärt, warum Farangs (Ausländer) ruhig älter sein dürfen als ihre thailändischen Geliebten. Oder wie der Schnitzelwirt in Pattaya in seiner Werbung behauptet: "Uns ziagt kana die Lederhos'n aus".