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Suchwort: "Zukunft"
Rubrik: Tagtigall - 18 Artikel - Seite 1 von 2
Tagtigall 08.02.2023 […] Winter weiß
entzündet von den Viren
auf allen vieren kriechen wir
durchs Haus zermürbt vom Fieber
doch sie da draußen musizieren
ungefragt die Kleinchen
mit dem roten Kragen
das klingt das singt
die Zukunft hat das Sagen
"kleine Vögel", "großer Schnee", "graues Wasser", "Winter weiß", "roter Kragen" - die wenigen Adjektive evozieren die Szenerie unmittelbar. Anklänge an Archaisches auch hier. Man hört […] Üs und Is (bricht, glüht, zermürbt, Fieber, Vieren, Viren), schwingt mit den As schon durch die Mundstellung etwas sich Öffnendes mit (nach, wachsen, Schatten, ungefragt, Kragen), bis am Ende die Zukunft "das Sagen" hat.
Manchmal tragen wenige Zeilen eines Gedichtes ganze Geschichten. Verknappt und von großer Anmut. In Schönheit verdichtet.
in den administrativen Ecken ihres Verstandes sitzt die […] Von
Marie Luise Knott
Tagtigall 06.03.2022 […] Straßenkötern beschützen wir alle, die keine Heimat, kein Dach über dem Kopf haben, die sich nicht einordnen lassen, die sich nicht geordnet benehmen, die bei niemandem auf dem Schoß leben .... "Die Zukunft gehört den Straßenkötern", hatte Zhadan einmal gesungen. Denen, die keine Angst haben, die sich nicht uniformieren lassen. "Der Teufel versucht, sie hinter Gitter zu bringen, / Der Teufel hat für sie […] Von
Marie Luise Knott
Tagtigall 11.11.2020 […] Kammern, Klappen
und Wildnisse, parietal,
und lausch ihrem zweiten
und jeweils zweiten und zweiten
Ton.
Hier redet eine Stimme aus dem Off - aus welcher Vergangenheit, Gegenwart oder Zukunft tut nichts zur Sache. Ein imaginäres Du wird aufgefordert, die "Worthöhlen", also die ausgeschachteten Wörter, mit Häuten auszukleiden, sie zu erweitern, sie an den Seiten (parietal) mit Vorhöfen, […] schon früh eine Celan-Leserin, wurde nicht durch "Mad Ireland" zur Dichterin. 1972 in Moskau geboren, wuchs sie in der Zeit des Glasnost heran. Später unter Putin erlebte sie das Zerbröseln einer Zukunft, das Anwachsen von Hass und Angst und das Sprachschachten der dortigen executives. "Es ist", beschreibt sie die Wirklichkeit, "als würde eine jahrzehntelang auf Dachböden und in Geheimfächern, ja: […] Straßen ziehen." Der Gedanke, sagt sie, dass es mit dem unschönen, beklemmenden Heute noch nicht sein Bewenden habe, dass es morgen noch schlimmer komme, erzeuge eine verborgene bleischwere Unruhe. Die Zukunft verheiße Ungewissheit und Unheil aller Art.
Stepanova hat bereits ein knappes Dutzend Gedichtbände veröffentlicht. Sie ist vielgepriesen und übersetzt. Soeben ist auf Deutsch in der großartigen […] Von
Marie Luise Knott