Weiße NachtRoman
Suhrkamp Verlag, Berlin
2021
ISBN
9783518430170, Gebunden, 159Seiten, 22,00
EUR
KlappentextAus dem Koreanischen von Sebastian Bring. Die 28-jährige Ayami ist Assistentin im einzigen Hörtheater von Seoul, nun wird es für immer geschlossen. Ohne eine Vorstellung davon zu haben, wie ihr Leben künftig aussehen soll, streift sie bis spät in die Nacht mit dem Theaterdirektor durch die Straßen der Stadt, sie suchen nach einer gemeinsamen verschollenen Freundin und sprechen über Lyrik, Teilzeitjobs und die Vergeblichkeit von Liebe. Am nächsten Tag verdingt sie sich als Dolmetscherin eines gerade angereisten Krimiautors, sie sprechen über Literatur, Fotografie und die Vergeblichkeit, in den Norden zu reisen. Und während die Sommerhitze Seoul in einen Tempel betäubender Mattigkeit verwandelt, hält allmählich die Vergangenheit Einzug und lässt die Grenzen zwischen Wirklichkeit und Traum zerfließen.
Rezensionsnotiz zu
Die Zeit, 23.12.2021
Rezensent Roman Lach sieht Kafkas Stern leuchten über den Romanen der südkoreanischen Autorin und Übersetzerin Bae Suah. Als Einstieg ins Baes Werk hätte sich der Kritiker zwar ein etwas "zugänglicheres" Werk gewünscht, aber solange nimmt er auch mit diesem Roman, der ihn in die mysteriösen Abgründe Seouls führt, gern Vorlieb. Erzählt wird die Geschichte von Ayami, Angestellte in einem Hörtheater für Blinde, das am letzten Spieltag vor der endgültigen Schließung "Die blinde Eule" des iranischen Schriftstellers Sadek Hedayat gibt. Zugleich begegnet Ayami einem Unbekannten namens Buha, der sie zu bedrohen scheint und den sie immer wieder zu erkennen meint. Wie die Autorin Traum und Realität verschmelzen lässt, findet der Kritiker grandios. Und so kann Lach jedem Leser nur empfehlen, sich auf Baes "surreales" Spiel mit Bildern und Worten einzulassen.
Rezensionsnotiz zu
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 17.11.2021
Rezensentin Anna Schiller verdankt es auch dem Übersetzer Sebastian Bring und seinen Entsprechungen für die starke Bildlichkeit im Text, dass sie Bae Suahs Heldin, einer verwirrten jungen Frau, gern durch die Nacht von Seoul folgt. Der Roman hat für Schiller kafkaeske Momente und eine surrealistische Grundierung, etwa wenn die Protagonistin Stimmen hört und die Grenzen zwischen Traum und Wirklichkeit verschwimmen. Dass Schiller bald nicht weiß, ob es Tag oder Nacht ist in der Erzählung oder wer gerade spricht, liegt auch an dem "impulshaften Schreiben" der Autorin. Als Ausdruck für die Orientierungslosigkeit der Millennials im Spätkapitalismus taugt diese Form ganz gut, findet Schiller.
Rezensionsnotiz zu
Frankfurter Rundschau, 24.08.2021
Rezensent Martin Oehlen rät dem Leser von Bae Suahs Roman zu surrealistischem Verständnis. Solcherart gewappnet gehen die morbide Atmosphäre, die geisterhaften Wiederholungen, Motive und Metaphern und die seltsamen Begebenheiten im Text dem Leser wohl besser ein, glaubt Oehlen. Was dem Roman an Handlung abgeht, macht er durch Stimmungen wett, findet Oehlen. Seoul ähnelt hier einem Lebewesen, staunt Oehlen, und die Macher eines Hörtheaters für Blinde, um die Suahs Texte sich dreht, können auch mit einem Nagel im Kopf munter weiterreden.